Der Harlunger Berg oder auch Marienberg im Nordwesten der Stadt Brandenburg gelegen stellte in der Wallfahrtsforschung ein Art Phantom dar: Einerseits soll diese Kirche die älteste Wallfahrtskirche Brandenburgs und schon im 13. Jh. „in ganz Deutschland“ berühmt gewesen sein. Andererseits fehlte es bisher an soliden Zeugnissen, dass sie überhaupt von Wallfahrern besucht wurde – zumindest vor dem 15. Jh.
Auf der Erhebung vor den Toren der Altstadt Brandenburg soll bis zur endgültigen Christianisierung in der Mitte des 12. Jh. ein slawisches Heiligtum gestanden haben. Dieses sei noch vor 1165 durch eine Marienkirche ersetzt worden, die dem neu gegründeten Domkapitel übergeben wurde. Wohl um 1220 errichtete man an Stelle des ersten Baus eine imposante Kreuzkuppelkirche – angeblich als Wallfahrtskirche. Diese Annahme passt allerdings nicht recht zu unserer Kenntnis des mittelalterlichen Wallfahrtswesens, denn östlich des Rheins gab es vor dem 14. Jh. keine Wallfahrtskirchen – vielleicht einmal abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen wie der Marburger Elisabethkirche.
Im Fall der Brandenburger Marienkirche verweisen bis zum Ende des 14. Jh. nur sehr spärliche Hinweise auf ihren wallfahrtsmäßigen Besuch. Erst nachdem die Hohenzollern als neue Landesherren diese Kirche besonders zu fördern begannen und hier 1435 ein eigenes Praemonstratenserstift entstand, häufen sich Zeugnisse für ihren Besuch. In einer Urkunde von 1448 wird auch der Verkauf von „teyken“, also Pilgerzeichen, erwähnt. Entsprechende Originale oder Abgüsse sind aber bisher nicht bekannt gewesen. Dies hat sich nun geändert!
Eine kreisrunde Plakette mit dem Relief einer Marienkrönung, die schon 2012 archäologisch in Hamburg-Harburg geborgen wurde, konnte jetzt als Pilgerzeichen vom Marienberg identifiziert werden. Zwar ist der Rand der Plakette mit seiner umlaufenden Inschrift nur teilweise erhalten, doch ist auf dem erhaltenen Rest sicher „MARIE BRANDE(N)BORG[ENSIS]“ zu lesen. Der Schrift nach zu urteilen muss das Objekt in der Mitte des 14. Jh. hergestellt worden sein – in einer Zeit also, als die Herstellung von Pilgerzeichen noch keineswegs so allgemein verbreitet war, wie es im 15. Jh. der Fall war.
Die Darstellung der Marienkrönung auf dem Pilgerzeichen weist eine deutliche Ähnlichkeit mit dem Siegel des 1435 gegründeten Praemonstratenserstiftes auf dem Harlunger Berg auf, dessen Stempel sich im Domstiftsarchiv erhalten hat.
Das von der Brandenburger Marienkirche nach Hamburg-Harburg gelangte Zeichen ist zwar kaum ein Beleg für den deutschlandweiten Besuch dieser Kirche, stellt aber ein gewichtiges Indiz für die hier im 14. Jh. bestehende Wallfahrt dar.
Hartmut Kühne