Die Hafengrabung in Stade 2013-2016

Bei den Grabungen im Stader Hansehafen wurden neben großen Mengen anderen Fundmaterials auch knapp 200 Pilgerzeichen und verwandte Weißmetallgüsse gefunden. Dieser bislang in Deutschland einzigartige Fundkomplex von Pilgerzeichen gab den Anstoß zu dem hier laufend kommentierten Forschungs- und Ausstellungsprojekt. Der enorme archäologische Ertrag verdankt sich besonders dem Engagement der in der AG Archäologie Stade tätigen Freiwilligen. Deshalb ist es erfreulich, dass an dieser Stelle zwei der beteiligten Personen auf diese Arbeit zurückblicken.

Hartmut Kühne

Im August 2013 erfolgten im historischen Hafenbecken Bauarbeiten zur Sanierung der sogenannten „Hudebrücke“ im Zentrum von Stade. Von den Baumaßnahmen hauptsächlich betroffen war ein Seitenarm des Flusslaufes Schwinge, der im 13. Jahrhundert zum festen Hafen umgebaut und später an dieser Stelle durch eine Steinbrücke überbaut wurde. Um die Brücke von unten überholen zu können, wurde das betroffene Hafenbecken durch Dämme abgeriegelt und trockengelegt.

Am 26. August 2013 wurden von der Stadtarchäologie baubegleitende Sondierungsgrabungen begonnen, um die in situ vorhandene Funde aus 800 Jahren Stadtgeschichte und deren Schichtenfolgen zur Zeitanalyse zu erhalten.

Offizielles Ende der Grabungen vor Ort und Beginn der eigentlichen Sanierungsmaßnahmen war der 7. Oktober 2013. Inzwischen waren viele historische Kleinfunde sowie eine komplette Sonnenuhr (in 2 Teile zerbrochen) aus dem 17 Jahrhundert gefunden worden. Da der Boden vor Ort ausgetauscht werden musste, wurde durch den Stadtarchäologen Dr. Schäfer beschlossen, den kompletten Erdaushub des Hafenbeckens bei den Kommunalen Betrieben Stade zwischen zu lagern.


50 Bigbags aus der Hafengrabung mit genauer Herkunftsangabe

Die AG Archäologie (Hobbyarchäologen aus dem ganzen Stader Umfeld) waren bereits bei den „offiziellen“ Grabungen vereinzelt behilflich gewesen und haben so die Stadtarchäologie unterstützt. Diese ehrenamtlichen Helfer setzen sich aus allen Berufsgruppen, aus Hausfrauen, Rentnern und Pensionären zusammen.

Man verabredete sich am 13. Oktober 2013, den Aushub an den folgenden Wochenenden auf weitere Fundstücke hin oberflächlich zu untersuchen. Die Fundmenge an Münzen, Spielzeug, Knöpfen, Schnallen, aber auch Bootsnägeln, Warenplomben, Militaria, Teilen von Taschenuhren, Gefäßscherben sowie vereinzelt auch Pilgerzeichen, die dabei zutage kam, war so überwältigend, dass die angedachte Entsorgung zur Verbrennung wegen Kontamination des Bodenaushubes schnell fallen gelassen wurde. Statt dessen wurde von einer ständig wechselnden Gruppe aus 10 – 30 Ehrenamtlichen fast jedes freie Wochenende, auch Feiertage, dazugenutzt, die Unmenge an Boden in Kleinarbeit im Freien zu schlämmen. Auch widrige Wetterverhältnisse konnte sie nicht davon abbringen. Bis Dezember war klar, dass die gesamte Aushubmenge von ca. 350 Kubikmeter nur in jahrelanger Arbeit zu bewältigen war.


Schlämmen im ehemaligen Technikmuseum 2014

Ende August 2016 war schließlich das letzte Gramm Bodenaushub durchsiebt und geschlämmt. Dies wurde durch die AG Archäologie mit einem großen, gemeinsamen Sommerfest gefeiert.

Das letzte Pilgerzeichen (aus Aachen), vielleicht das älteste hier in Stade gefundene, kam erst am allerletzten Tag wieder ans Tageslicht.

Will Helms

Die Besonderheit der Pilgerzeichen-Funde aus dem Stader Hafen

Es war ganz am Anfang unserer dreijährigen Schlämm-Aktion, als die ersten Pilgerzeichen aus Wilsnack im Sieb lagen. Zu dieser Zeit konnten nur wenige Mitglieder der Archäologie-AG auch nur mit dem Begriff etwas anfangen, geschweige denn, sie kennen bzw. erkennen. Aber einige Mitglieder wussten eben doch um die Besonderheit dieser Plaketten aus Blei-Zinn, welche die Pilger im 14. und 15.Jahrhundert auswiesen. Mit dem Finden und Erkennen eines jeden neuen Pilgerzeichens wuchs in der Gruppe die Freude und Aufmerksamkeit. An manchen Schlämmtagen, die im Dezember 2013 und im Januar 2014 im damaligen Technikmuseum bei Minusgraden stattfanden, bargen wir drei Pilgerzeichen und der Jubel war groß. Wir kamen auch an den Weihnachts- oder Osterfeiertagen zusammen und unsere Motivation wurde durch neue Funde belohnt.

Die Verfasserin mit einem frisch geborgenen Pilgerzeichen aus Elende

Peter Wellbrock, unser ältestes Mitglied, ein ehemaliger Journalist mit vielen Kontakten, stellte die Verbindung zu den Pilgerzeichen-Experten Jörg Ansorge und Hartmut Kühne her. Spätestens mit deren großem Interesse und ihrem Besuch im Oktober 2014 war die Gruppe sich auch der überregionalen Aufmerksamkeit gewiss. Einige Mitglieder haben sich in dieses hochinteressante Thema eingearbeitet, zur Historie des Pilgerns geforscht und deshalb Klöster, Pilgerstätten sowie Museen im In- und Ausland besucht.

Unsere AG ist mit Funden reich „beschenkt“ worden. Jedes Mitglied hatte seine Lieblingsfundgruppe: Münzen, Uniformknöpfe, Tuch- und Warenplomben, Spielsachen etc. Aber ausnahmslos alle AG- Mitglieder freuen sich über die Bedeutung unserer geborgenen Pilgerzeichen.

Christine Eberz

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